Sanierung Rathaus Hallstadt

Projektdaten

Erweiterung, Umbau und Instandsetzung / Schadstoffsanierung Rathaus Hallstadt

Bauherr
Stadt Hallstadt
Standort Hallstadt
Ausführung 2001-2002 sowie ab 2009
Leistungen
Stat. Voruntersuchungen

Tragwerksplanung Lph 1 - 6
  Ingenieurtechn. Kontrollen

  Maßnahme 2000 - 2002

Tragwerksuntersuchung

Tragwerksplanung

Im Zuge der in den vergangenen Jahrhunderten erfolgten Umbauten, wurde auch in das Tragwerksgefüge des 1580 errichteten Gebäudes massiv eingegriffen.

Vor allem bei der Verlegung der Treppenanlage in den Gebäudekernbereich - vmtl. im Rahmen der Umnutzung des Rathauses als Schulhaus (ca. 1806 bis 1945, vgl A. Waschka) - wurden einige der Hauptunterzüge rigoros durchtrennt und das ursprüngliche statische System nachhaltig verändert.

Bei diesem Umbau ging auch der repräsentative, hallenartige Charakter des Gebäudes sowohl im EG als auch im 1.OG verloren. Eine Rückführung auf die einstige Grundriss- und Tragwerkssituation schied aus, nachdem das Treppenhaus im Gebäudekern verbleiben sollte. Die in den neu eingezogenen Trennwänden geschaffenen Oberlichter ermöglichen Durchblicke und machen so die ehemalige Großzügigkeit der Räume dennoch erlebbar.

Der Umbau und die Instandsetzung des denkmalgeschützen Rathausgebäudes barg  vielfältige Aufgabenstellungen und entwickelte sich zu einer vertrackten, den Tragwerksplanern ein hohes Maß an Kreativität abverlangenden Planungsaufgabe.

 

So wies das bestehende Dachtragwerk für den geplanten Ausbau der beiden Dachgeschosse nur unzureichende Steifigkeiten in Querrichtung auf. Um hier Schäden an den Ausbaukonstruktionen zu vermeiden, war eine Ertüchtigung der Dachkonstruktion durch den Einbau einer statisch wirksamen Bretterscheibe auf der Balkenlage über dem 1.DG sowie das Einstellen von zwei Windböcken im 1.DG notwendig.

Zur Gewährleistung einer sicheren Lastabführung war es erforderlich, die überbeanspruchten Mittelunterzüge im EG, 1.OG, 2.OG und 1.DG durch innerhalb der neu einzustellenden Trennwände zu situierende Konstruktionselemente, wie Stützen bzw. additive Sprengwerkskonstruktionen, hinreichend zu entlasten.

Soweit es unter den veränderten statischen Verhältnissen bereits zum Bauteilbruch gekommen war, wie beim Unterzug im Bereich des Bürgermeisterzimmers, erfolgte eine Verstärkung mittels eines in den Holzquerschnitt eingeschlitzten Stahlschwerts, welches im Endzustand nicht mehr erkennbar ist. Das so ertüchtigte Bauteil wurde dabei über einen in der Decke neu zum Einbau gekommen Abfangträger, der wiederum mittels Zugstangen an einen hölzernen Überzug im Dach angehängt ist, zwischengestützt.

Auch die Unterzüge im Bereich des bisherigen Ratssaals waren nicht in der Lage, die auf sie entfallenden Nutzlasten mit ausreichender Sicherheit gegenüber Bauteilversagen zu den sie stützenden Konstruktionselementen abzuleiten. Um das in diesem Bereich geplante Besprechungszimmer stützenfrei zu halten, wurden die hier verlaufenden Holzunterzüge an einen Trägerrost, bestehend aus zwei in der Decke verlaufenden Stahlprofilen und einem oberhalb der Balkenlage verlaufenden Überzug, hochverhangen.

Bei den umfangreichen Sanierungsmaßnahmen um 1954 ging ein nicht unerheblicher Anteil der ursprünglichen historischen Bausubstanz verloren. Die im Zuge dieser Sanierung vorgenommenen Bauteilreparaturen, konnten überwiegend nur als oberflächliche, kosmetische Maßnahmen angesehen werden. Statisch-konstruktiven Schwächen war hiermit nicht ausreichend begegnet worden. Vielmehr täuschten die im Bereich der sichtbaren Konstruktionselemente sauber ausgeführten Oberflächen Tragfähigkeiten vor, welche nicht gegeben waren.

So lief auch keiner der von unten durchlaufend in Erscheinung tretenden Zerrbalken - wie in der ursprünglichen Konstruktion sicher der Fall - ungestoßen von Außenwand zu Außenwand durch. Die Balkenlage war hingegen nur mehr Stückwerk und nicht in der Lage, die auftretenden Zerrkräfte aufzunehmen. Nahezu sämtliche Reparaturen mussten deshalb überarbeitet bzw. erneuert und die Dachfußpunkte kraftschlüssig zurückverhangen werden.

Nach dem Abnehmen der Wandbekleidungen waren umfangreiche Schäden an den Fachwerkonstruktionen der Umfassungswände erkennbar.Die außenseitig überstehenden Gefachefüllungen aus Bruchsteinmauerwerk waren im Zuge frührerer Sanierungen teilweise bereits durch Ziegelmauerwerk ersetzt und durch innere Vormauerungen verstärkt worden.

Die Fachwerkhölzer konnten überwiegend nur von innen (der schadensunanfälligeren Seite) eingesehen bzw. untersucht werden. Die statisch notwendigen Reparaturen der geschädigten Holzbauteile erwiesen sich, wie schon die Untersuchungen, als außerordentlich schwierig.

Das ursprüngliche statische Gefüge wurde soweit möglich wieder hergestellt. Die statisch erforderlichen Verstärkungen wurden als filigrane Stahlkonstruktionen (im Kontrast stehend zu den vorhandenen bzw. rekonstruierten Holzkonstruktionen) geplant und ausgeführt, wobei im Sinne der Denkmalpflege auf eine größtmögliche Reversibilität der Neukonstruktionen zu achten war.

Beim Schadstoffscreening waren Belastungen durch Holzschutzmittel PCP/Lindan im Bereich der Dachkonstruktion im 2.DG wie auch in anderen Räumen (z. B. Bretterdecke im EG) und der Fachwerkwandkonstruktionen sowie bei er Einbringung der Parkettböden verwendete PAK- belastete Bitumenklebstoffe festgestellt worden.

Soweit kontaminierte Bauteile zu erhalten waren, wurden diese diffusionsdicht beschichtet bzw. bekleidet. Die PAK-haltigen Böden wurden vollständig ausgebaut

Nach der Erweiterung des historischen Gebäudes um einen das Bürgerbüro und das Archiv aufnehmenden Anbau, dem Abschluss der Arbeiten zur Verbesserung des Brand-, Schall- und Wärmeschutzes, der Erneuerung der Haus- und Elektrotechnik, der restauratorischen Instandsetzung der Natursteinbereiche sowie dem denkmalpflegerischen Grundsätzen folgenden Ausbau konnte das Rathausgebäude im Oktober 2002 wieder in Betrieb genommen werden.

Statisch-konstruktive Maßnahmen

  Maßnahme 2009 - 2017

Beschreibung

Nachdem das sanierte Rathaus im Oktober 2002 wieder in Betrieb genommen worden war, traten nach einiger Zeit Geruchsbelästigungen auf und es erkrankten Mitarbeiter. Im Juni 2009 wurde schließlich festgestellt, dass infolge materialbedingter Leckagen in den neuen Heizleitungen im Lauf der Jahre Wasser in die sanierten Balken-Bohlendecken eingedrungen war.

Die nachhaltige Durchfeuchtung hatte nicht nur zu erneuten Entfestigungen eines Teils der Tragbeläge und des instandgesetzten Deckengebälks durch Fäule erregende Pilze geführt, sondern auch zu einer Freisetzung von gesundheitsschädlichen Chlornaphtalinen, die bis in die 1970er Jahre als Holzschutzmittel Verwendung fanden. Diese Stoffgruppe war bei den vorangegangenen Schadstoffuntersuchungen unentdeckt geblieben.

Das Rathaus musste daraufhin ein weiteres Mal geräumt werden. Die Mitarbeiter wurden interimsweise im Bürgerhaus der Stadt untergebracht.

Als man sich schließlich zu einer erneuten Sanierung des Rathauses durchgerungen hatte, mussten sämtliche Türen wieder ausgebaut, die im Jahr 2002 eingebrachten Deckenbeläge aufgenommen, die Heizungsleitungen rückgebaut, alle Holzbalken gründlich gereinigt und der schadstoffbelastete Staub entsorgt werden.

Vom Fachplaner für Technische Gebäudeausrüstung wurde ein ausgeklügeltes Lüftungssystem entwickelt, um die Raumluft in den Aufenthaltsräumen von den aus der kontaminierten Deckenkonstruktion dauerhaft ausgasenden Chlornaphtalinen frei zu halten. Dafür waren in den nur wenig Platz bietenden Deckenkonstruktionen Zu- und Abluftkanäle zu integrieren, über die in Verbindung mit einer Lüftungsanlage permanent Frischluft zugeführt und die belastete Luft aus dem Deckenhohlraum abgesaugt werden kann.

Im Zuge der Maßnahme wurden allerdings nicht nur die infolge des Wasserzutritts geschädigten Tragwerkselemente repariert und die konstruktiven Voraussetzungen für die Unterbringung der Bodenkanäle geschaffen, sondern auch die aufgrund geänderter Anforderungen an den Brandschutz notwendigen Ertüchtigungen vorgenommen und ungeeignete Dämmmaterialien ersetzt sowie vor Brandeinwirkung schützende Abschottungen und Bekleidungen eingebaut. Um bei den geringen zur Verfügung stehenden Aufbauhöhen dennoch einen hinreichenden Schallschutz der Decken zu erreichen, wurden zur Erhöhung des Eigengewichts flächig Platten aus Stahl auf die Rohböden aufgelegt, wodurch wertvolle Zentimeter eingespart werden konnten.

Im Dezember 2016 konnte das Rathausgebäude schließlich, nach nahezu sieben Jahren Leerstand und 15-monatiger Sanierung, wieder bezogen werden.

Die erfolgreichen Bemühungen der Planungsbeteiligten, das Rathaus Hallstadt trotz der Schadstoffbelastung seiner historischen Deckenkonstruktionen wieder nutzbar zu machen und auch für künftige Generationen zu bewahren, wurden zu guter Letzt mit dem Bayerischen Denkmalpflegepreis 2018 in Gold ausgezeichnet.

Gold für das Rathaus Hallstadt
Kalender-Card 2019